Wandern rund um Bonn – Im Süden vom Kottenforst

Der Süden vom Kottenforst
Vom Urwald zum Naturdenkmal

Pkw/Parken: Wanderparkplatz am Ortsausgang von Bonn-Röttgen, Reichsstraße
ÖPNV: Buslinie 603 ab Bonn Hbf. bis Röttgen-Schleife
Rundweg: Ca. 11,6 Kilometer/3 Stunden
Streckenprofil: Flache Wege mit unterschiedlichem Belag, für Kinderwagen und Fahrräder geeignet
Einkehr: Restaurant Waldesruh Villiprott, Dorfstraße 62, 53343 Wachtberg, Tel. (02 28) 32 54 88, www.waldesruh.net
Am Wegesrand: Röttgen; Naturwaldzelle; Krönungsweg; Jägerhäuschen und Kaisereiche; ehem. Dicke Eiche; Försterei Schönwaldhaus; Wanderweg der Deutschen Einheit; Jakobskreuz

Dort, wo schon ein angehender Kaiser durch den Wald marschierte und einen Baum pflanzte, sollten wir uns eine Wanderung durch den urigen Forst mit seinen weiten und ebenen Wanderwegen nicht entgehen lassen. Naturdenkmäler am Wegesrand dokumentieren den Lebenszyklus eines Baumes am praktischen Beispiel, und der Übergang vom Naturwald zum Urwald wird uns vor Augen geführt. Man muss also kein Kaiser sein, um den Kottenforst aus nächster Nähe genießen zu können.

Unser Ausgangspunkt befindet sich auf dem Wanderparkplatz am Südrand vom Bonner Stadtteil Röttgen, nur wenige Meter von der Haltestelle Röttgen-Schleife entfernt.

Der Name Röttgen stammt von der Verniedlichungsform einer Rodung, Rödchen. Im Bönnsch, einem mittelfränkischen Dialekt, der im Bonner Raum gesprochen wird, wird der Ortsteil auch heute noch Röttschen ausgesprochen. Gemeint war damals die Rodung inmitten des Kottenforstes, welche Kurfürst Clemens August von Bayern im 18. Jahrhundert mit dem Schloss Herzogsfreude bebauen ließ. Doch er verstarb, ohne das Schloss jemals betreten zu haben. Mit dem Einmarsch der napoleonischen Truppen wurden alle Fürstbistümer aufgelöst und das Schloss vom französischen Staat, dem neuen Eigentümer, versteigert. Erworben wurde es von einem Dachdecker, allerdings unter der Auflage es abzureißen. So hatte das Schloss Herzogsfreude keine 60 Jahre Bestand. Erahnen lässt es sich heute nur noch durch die Straßennamen Schlossplatz und Herzogsfreudenweg in Röttgen sowie durch die schnurgeraden Wanderwege im Kottenforst, die einst auf das zentral gelegene Schloss an der Rodung zuführten.

Den Parkplatz verlassen wir, in dem wir die Autobahnunterführung unterqueren, wo im Boden ein Wildgitter eingelassen ist. Auf dem asphaltierten Weg wandern wir in den Kottenforst hinein. Schon an der ersten Kreuzung, vernehmen wir den Autobahnlärm nur noch als entferntes Rauschen, halten uns links und gehen nun ein langes Stück geradeaus. Auch wenn keine Menschenseele zu sehen sein sollte, wir sind ganz bestimmt nicht alleine im Wald. Daher halten wir Ausschau nach Wildkaninchen, die durch das Unterholz hoppeln und Eichhörnchen, die aufgeregt an Baumrinden hochklettern oder lauschen den Gesängen der Vögel, welche stolz auf den Ästen über unseren Köpfen sitzen. Wir queren die Kreuzung Jägerkreuz, an der sich ein hölzernes Kreuz befindet. Daran schließt sich zu unserer Linken auch eine Naturwaldzelle an.

„Wald kann zu Schutzwald erklärt werden, wenn es zur Abwehr oder Verhütung von Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit notwendig ist, bestimmte forstliche Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen.“ So steht es in § 12 Absatz 1 des Bundeswaldgesetzes. Was das bedeutet, erklärt § 49 Absatz 5 des Landesforstgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen kurz und knapp, aber deutlich:  „In Naturwaldzellen wird der Waldbestand sich selbst überlassen.“ Diese bürokratisch formulierte Idee, vorhandene naturnahe Altwälder zu schützen und aus der Bewirtschaftung herauszunehmen, entstand bereits in den 1930er-Jahren, wurde aber erst im Europäischen Naturschutzjahr 1970 wieder aufgegriffen. Dies führte zu einem sogenannten Naturwaldzellenprogramm in NRW, welches bereits 75 Naturwaldzellen umfasst. Verboten ist jeglicher Eingriff des Menschen in den Wald, selbst das Aufsammeln alter Holzstämme oder das Sammeln von Beeren und Pilzen ist untersagt, damit die Natur sich wenigstens in diesen kleinen Arealen komplett alleine entwickeln kann.

Der breite Waldweg führt uns an umgestürzten Bäumen vorbei, die sich selbst überlassen nun kleinen Lebewesen wie Ameisen, Käfern, aber auch Pilzen nützlich sind. Er verläuft schnurgerade durch den dichten Baumbestand des Kottenforsts. Hinter einem Holzunterstand lichtet sich der Wald rechter Hand und gibt uns den Blick über die Felder frei. Kurz darauf erreichen wir einen Wanderparkplatz. An diesem biegen wir links wieder in den schattigen Wald ab und folgen der Beschilderung in Richtung Villiprott. Auf dem nur leicht kurvigen Weg erkennen wir, dass wir uns auf dem vom Eifelverein eingerichteten Krönungsweg befinden.

Der Krönungsweg ist ein auf dem Bonner Venusberg beginnender Hauptwanderweg, welcher zuerst den Kottenforst durchläuft und über den Swistbach bis zur Steinbachtalsperre führt. Von dort kann der Wanderer weiter durch den Nationalpark Eifel zum Rursee und durch den Hürtgenwald bis in die Kaiserstadt Aachen gehen. Mit seinen 133 Kilometern Länge ist er der nördlichste Wanderweg der Eifel und soll an die deutschen Könige erinnern, die in Aachen gekrönt wurden.

Ungekrönt, aber gut gelaunt wandern wir weiter, erreichen zu unserer Rechten einen kleinen Weiher, den Rehsprungmaar, erblicken auf seinem Wasser einige schnatternde Gänse, überqueren eine Wegekreuzung und wenig später nochmals die Autobahn und eine Landstraße. Dahinter gehen wir wieder über ein weiteres Wildgitter hinweg in den Kottenforst hinein. Es dauert nur ein kurzes Weilchen, bis wir unter Buchen und Eichen an einem idyllischen Picknickplatz Gelegenheit zu einer Pause haben. Während wir unseren Proviant genießen, blicken wir auf die stolze Kaisereiche und auf das schräg gegenüber liegende Jägerhäuschen.

Prinz Wilhelm von Preußen pflanzte diese Eiche eigenhändig neben dem Jägerhäuschen ein. Da Prinz Wilhelm von Preußen neun Jahre später zum letzten Deutschen Kaiser, besser bekannt als Wilhelm II, gekrönt wurde, wird sie Kaisereiche genannt. Weitere Kaisereichen, die zu Ehren verschiedener deutscher Kaiser, aber nicht immer eigenhändig, gepflanzt wurden, befinden sich im gesamten Bundesgebiet verteilt. Das Jägerhäuschen diente dem Kurfürsten Clemens August von Bayern als Wechselstation für Pferde, die bei den von ihm beliebten Parforce-Jagden eingesetzt wurden. Daher bestand es seinerzeit nur aus einem Pferdestall und einem kleinen Aufenthaltsraum für die Jagdhelfer. Nach dem Tod des Kurfürsten und dem späteren Einmarsch der napoleonischen Truppen fanden im Kottenforst keine Jagden dieser Art mehr statt, sodass das Gebäude zunächst verfiel, dann aber von der Forstverwaltung restauriert wurde.

Wir wandern weiter, bleiben dabei auf dem Asphaltweg und sehen kurz hinter einem Abzweig einen schmalen Pfad zum Naturdenkmal Dicke Eiche.

Als Naturdenkmal wird ein natürlich entstandenes Landschaftselement bezeichnet, welches eine räumliche Fläche oder auch nur ein einzelnes Gebilde sein kann. Es ist nicht mit einem Naturschutzgebiet zu verwechseln, auch wenn Naturdenkmäler natürlich ebenso geschützt werden sollen. Das Naturdenkmal Dicke Eiche war mit seinen fast 30 Metern Höhe und einem Alter von mehr als 250 Jahren so ein Prachtexemplar, welches den Titel verdientermaßen tragen durfte. Während wegen starken Schneefalls am Heiligen Abend des Jahres 2010 in zahlreichen Städten der Region chaotische Verhältnisse herrschten, stürzte die Dicke Eiche unter der enormen Last des Schnees um. Der zuständige Revierförster entschied, dass die Eiche an ihrem Platz der Natur überlassen werden soll. So bleibt sie noch einige Jahre sichtbar und spendet während ihrer Zersetzung als Totholz neues Leben.

Wir gehen weiter und überqueren die folgende Kreuzung Großer Stern, bleiben weiter auf dem Asphaltweg und erreichen das kleine Örtchen Villiprott, wo uns zu unserer Linken auf der gegenüber liegenden Straße die mit Grenzsteinen aus dem Kottenforst verzierte Försterei Schönwaldhaus empfängt.

Auch die Försterei Schönwaldhaus wurde zu Zeiten des Kurfürsts Clemens August von Bayern errichtet. An der Außenmauer des Fachwerkgebäudes sind 25 ehemalige Grenzsteine aus dem Kottenforst eingelassen, die einst die Ländereien der einzelnen Stifte und Gemeinden abgrenzten.

Nur wenige Meter hinter der Försterei können wir unsere Wanderung bei einer kleinen Erfrischung im Restaurant Waldesruh in der Dorfstraße unterbrechen. Unsere Route biegt aber vor dem Schönwaldhaus scharf links ab und wir folgen dem Wanderweg der Deutschen Einheit.

Der Wanderweg Deutsche Einheit – geborenen aus einer Idee im Jahr der Wiedervereinigung 1990 – verbindet die westlichste Stadt Deutschlands, Aachen, mit der östlichsten, dem sächsischen Görlitz. Dabei legt der Wanderer ungefähr 1.080 Kilometer auf Wanderwegen zurück. Die Wege wurden jedoch nicht neu angelegt, sondern bereits bestehende wurden miteinander verknüpft. Der Wanderweg durchquert von Osten kommend das Erzgebirge Richtung Hof, übersteigt den Thüringer Wald bis zum geschichtsträchtigen Eisenach, wandert durch das Sauerland, passiert den Kottenforst und gelangt so in die Königsstadt Aachen.

Schon bald sind wir wieder im herrlich grünen Kottenforst eingetaucht und wandern meist schnurgerade weiter. Wir überqueren eine Kreuzung und besuchen kurz dahinter das linker Hand ein wenig versteckte Jakobskreuz.

Jakobskreuze und andere markante Punkte, welche den Namen des Apostels Jakobus der Älteren tragen, stehen oftmals in Verbindung mit dem legendären Pilgerweg nach Santiago de Compostela, der aus zahlreichen, weit verzweigten Wegen in Europa besteht. Zu erkennen ist in der Regel das Attribut in Form einer Jakobsmuschel. Doch das trifft auf das Jakobskreuz im Kottenforst nicht zu. Hier deutet nichts auf den Jakobsweg hin, vielmehr sind Pfotenabdrücke und ein Wolf innerhalb eines Wappens zu erkennen. Daher wird das Kreuz oftmals auch als Wolfskreuz bezeichnet. Doch das heutige Jakobskreuz ersetzt seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein Holzkreuz, das tatsächlich dem Apostel Jakob gewidmet war. Daher können wir vermuten, auf einem Zubringerweg des eigentlichen Camino in Spanien zu befinden. 

Auf dem historischenPfad wandern wir stets geradeaus bis zu einer sternförmigen Kreuzung und halten uns dort halblinks. Der auch weiterhin asphaltierte Weg führt uns nun ganz gerade durch einen letzten Waldabschnitt. Mit Adleraugen ist in rund 1000 Meter Entfernung schon unser Ausgangspunkt, der Wanderparkplatz, auszumachen, und schon bald fällt unser Blick nach rechts auf die ersten Häuser von Röttgen. Wir nehmen Abschied vom Wald und seinen scheuen Bewohnern – vorläufig, denn in diesem Buch erwarten uns noch zwei weitere Wanderungen durch den wunderbaren Kottenforst – und überqueren die Landstraße, um zum Parkplatz oder nach rechts zur Haltestelle zu gelangen.

Michael Moll

Hier schreibt Reisejournalist Michael Moll.

Ich bin Autor von mehr als 100 Reiseführern, unter anderem beim National Geographic, und erstelle Artikel in Fachzeitschriften. Außerdem bin ich Betreiber und Besitzer des Wohnmobilstellplatzes am Barockschloss in Nordkirchen im südlichen Münsterland.

Bundesweit halte ich Multimedia-Präsentationen über verschiedene Reisethemen und zu guter Letzt konnte ich einen Fahrradweltrekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufstellen.


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